Ich bin keine Maschine

Ich fühle mich als hätte jemand den Stecker gezogen. Ich stehe nicht mehr unter Strom und...

Ich fracke die Schüssel in die Spüle. Ich stütze meine Ellenbogen auf die Arbeitsplatte, vergrabe mein Gesicht in meine Hände und atme tief durch. Als ich aufschaue entdecke ich meine verdutzt dreinschauenden Kinder. Sie bekommen keine Erklärung. „Dort stehen bleiben!“, raunze ich sie an und beginne die Scherben aufzusammeln. Es gibt solche Tage. Jeder hat sie. Ich habe sie. Manchmal öfter als mir lieb ist.

Ich schreibe diese Zeilen für dich, weil ich dir sagen will: Du bist nicht allein und keine schlechte Mutter. Ja, du versagst. Genauso wie ich. Wir alle haben Kämpfe und manchmal haben wir eher Lust uns auf unbestimmte Zeit unsichtbar unter die Bettdecke zu verkriechen als weiter zu machen. Ich glaube das ist okay. Solche Geschichten erzählen wir nur ungern. Statt dessen weinen wir lieber allein oder nehmen in Kauf, dass uns die Selbstzweifel zerfressen. Alles für den Schein. Aber wieso eigentlich? Wozu? Für wen?

Es ist also einer dieser Tage. Ich möchte mich direkt nach dem Aufstehen wieder Hinlegen, bin grundverunsichert, schlecht gelaunt, alles ist zu laut und generell nervt mich alles und jeder. Auf den ersten Blick in die (Klo)-Schüssel ist mir plötzlich alles klar. Ich bin nicht schwanger, wunderbar. Nur hormonell in dieser einen Woche der Wochen. Nun habe ich allerdings leider keine Zeit mich mit einer Wärmflasche wieder gepflegt ins Bett zu verziehen und erst recht keine Zeit darüber nachzudenken was da eigentlich gerade in meinem Körper und meiner Gefühlswelt passiert. Denn beide Kinder stehen interessiert guckend vor mir und luken nun ebenfalls in die Schüssel. „Ach Mama ich weiß, du blutest wieder.", sagt Lilly und grinst. Hätte sie gewusst was für ein Stinktier ihre Mutter heute noch werden würde, hätte sie sich wahrscheinlich nicht so darüber gefreut. Die Kleinere steht nur daneben und zeigt vergnügt mit dem Finger auf das Geschehen.

Ich mache mir einen Kaffee und bereits erschallen Yakari, der kleine Indianerjunge und sein bester Freund Kleiner Donner, aus dem rosa CD-Rekorder. Sie sind bereits dabei, die Welt zu retten und bei der Lautstärke des Geschehens schwillt mir direkt der Kamm. "Wieso?", stöhne ich vor mich hin und kümmere mich um das „Problem“. Nach weiteren solcher Kleinigkeiten und kurz bevor ich raketenartig in die Luft zu schießen drohe, taucht ein leiser Gedanke in mir auf. "Du bist keine Maschine, Mariann." Ich fühle mich als hätte jemand den Stecker gezogen. Ich stehe nicht mehr unter Strom und ich atme bewusst tief ein und wieder aus. Schon verrückt. Je verbissener ich alles unter Kontrolle haben will, desto schneller rutscht mir alles durch die Finger. Ein Stein fällt mir vom Herzen, denn ich habe irgendwie ein Stück tiefer verstanden: Ich muss nicht funktionieren. Ich habe Gefühle, die ich zum Ausdruck bringen darf und sogar muss. Denn jetzt kommt der Hammer: Ich bin die wichtigste Person. Meine erste und wichtigste Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass es mir selbst gut geht. Dann erst die Kinder. Das ist nicht egoistisch, sondern weise und absolut von Nöten. Lieber eine glückliche Mutter als eine, die immer alles perfekt macht und dabei vergisst das Leben zu genießen. Nach dieser Erkenntnis rufe ich meine ältere Tochter zu mir. Ich erkläre ihr mein hormonelles Dilemma und bitte um Entschuldigung und um etwas Verständnis, quasi schonmal im Voraus. Sie schaut mich an, streicht mir kurz über die Haare und sagt: “Schon gut Mama. Können wir jetzt Benjamin Blümchen schauen?“ Ich bin erleichtert und pflanze mich mit meinen zwei Mädels auf die Couch.

Notiz an mich (und vielleicht auch dich):

  • Du bist keine Maschine. Du wirst versagen und das darfst du auch.
  • Kommuniziere (Mann, Kindern und Freunden) deine Gefühle und Bedürfnisse. Lass sie teilhaben an deinem inneren Kampf.
  • Was kann ich tun, damit mein Tank voll ist? Sei gut zu dir.

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