Zu Beginn des zweiten Lebensjahres haben die Kinder schon so viel gelernt: sie können sich zunehmend verbal verständigen, können weglaufen, Interesse und einen starken Willen entwickeln, Dinge nur für sich beanspruchen... und trotzdem brauchen sie noch viel Hilfe und Unterstützung!
Dieser Konflikt bringt sie mitunter ganz schön in Verzweiflung. Sie fühlen sich groß und wollen vieles selbstständig anpacken. Dabei merken sie, dass es allein noch nicht ganz klappt. Gerade jetzt werden ganz wesentliche Weichen in der kindlichen Entwicklung gestellt...
Mutter und Kind leben von Anfang an in einer „überlebensnotwendigen“ symbiotischen Beziehung: Sie sind voneinander abhängig und nützen einander- der eine kann nicht ohne den anderen sein.
Die Mutter hat das natürliche (hormonell- gesteuerte) Bedürfnis, sich umfassend und liebevoll um ihr Baby zu kümmern und empfindet dabei Freude und Erfüllung. Das Baby braucht diese Fürsorge, Nahrung, Schutz und bedingungslose Liebe für sein Überleben. Das treue Umsorgt sein erfährt es als Ermutigung zum Leben, als Aufforderung, groß und stark zu werden.
Im 2. Lebensjahr beginnt das Kind verstärkt, diese symbiotische Beziehung zur Mutter aufzulösen, selbst zu denken- anders zu denken als sie. Es beginnt sich abzugrenzen und muss lernen, Verantwortung zu übernehmen für seine Gefühle, Gedanken und Handlungen. Ein sehr spannender und sensibler Prozess, der idealerweise vom Kind ausgeht und von der Mutter verstanden und mitgetragen werden muss. Ist die Mutter in dieser Zeit nicht da, so fehlt dem Kind sein notwendiges Gegenüber, um sich erfolgreich abzunabeln und Widerspruch zu „üben“. Wir nennen diese anstrengende Zeit auch Trotzphase…!
Das Kind braucht in dieser Phase seine Eltern, vor allem aber die Mami, die ihm helfen, sich abzulösen und verantwortlich für das eigene Denken und Handeln zu werden (…)
Für das Kleine stellt es in diesem Alter eine unglaubliche Herausforderung dar, immer mehr zu realisieren, dass es von seiner Mami getrennt und unabhängig ist und eigenständig denken kann.
Es muss nun mit dem Widerspruch fertig werden: Wenn ich denke und auf meine Weise Probleme löse, wird dann meine Mami immer noch für mich sorgen? Werde ich verlassen und allein gelassen?
Frank und Catherine Fabiano
Dieser zwischen 18 und 28 Monate stattfindende wichtige Prozess, den die Psychologin Louise Kaplan als "zweite Geburt" bezeichnet, ist nur mit den Eltern optimal möglich. Stehen sie nicht als Helfer für die "zweite Geburt" zur Verfügung, kann das negative Folgen, besonders für die Ich-Entwicklung und das soziale Verstehen des Kindes haben.
Dr. Erika Butzmann
Der Selbstbehauptungstrieb hat bereits bei seinem Auftreten in der Ontogenese, im zweiten Lebensjahr des Menschen, eine eigenständige Aufgabe: die Befreiung aus der Bindung so weit, dass eigenständige Entwicklung möglich werden kann. Bei einem Kind ohne Trotzphase verzögert sich die Entwicklung und führt nicht selten in eine Zwangsneurose, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die spontanen Impulse des Menschen zugunsten einer fatalen Skrupelhaftigkeit und Unselbstständigkeit des Handelns eingeschränkt werden. Oft bleiben gerade solche Kinder später traurig-vertrocknete Bürokraten, die geduckt, unfrei und übergefügig an eine befehlende Instanz gekettet bleiben.
Christa Meves