Jeder Mensch ist auf Bindung angewiesen. Kein Baby kann ohne die Bindung an einen Erwachsenen sein, der dessen hilfloses Leben sichert. Das natürliche Bedürfnis danach und die Abhängigkeit davon lassen sich nicht abschalten. D.h. Bindung findet immer statt- egal, ob geeignete Bindungspersonen da sind oder nicht. Das Kleine braucht dringend jemanden, dem es anhängt ohne selbst beurteilen zu können, wer als geeigneter Bindungspartner überhaupt in Frage kommt. Wenn Kleinkinder heute also die überwiegende Zeit des Tages getrennt von ihren Eltern in einer Einrichtung verbringen, so tun sie das mit genau demselben Bindungshunger. Wird ihnen die notwendige, ungeteilte Aufmerksamkeit durch reife Erwachsene womöglich verwehrt, greifen sie in ihrer Bindungsnot auf die „Zuwendung“ und den vermeintlichen „Trost“ durch Gleichaltrige zurück. Sie machen dann ganz früh die schmerzliche Erfahrung, dass Erwachsene nur bedingt verlässlich sind und wenden sich ähnlich Hilflosen, ebenso Bedürftigen ihres Alters zu.
Was ist das Problem?
Gleichaltrige kennen keine Fürsorge und können füreinander keine Verantwortung übernehmen. Im Extremfall sind sie einander schutzlos ausgeliefert. Kein Kind kann das Bindungsbedürfnis eines anderen stillen- dazu braucht es umsichtige, einfühlsame, Halt und Orientierung gebende Erwachsene.
Gleichaltrigenorientierung in der Schule
Für die Situation in der Schule ist diese prägende, frühkindliche von Erwachsenen- enttäuscht- und- Verlassen- zu- werden- Erfahrung insofern problematisch, als das auch andere erwachsene Autoritäten (Lehrer) nicht mehr als solche wahrgenommen und stattdessen Gleichaltrige zur Orientierung und Vorbildwirkung vorgezogen werden.
Lehrer haben es schwer, die Aufmerksamkeit gleichaltrigenorientierter Schüler auf sich zu ziehen und konkurrieren permanent mit deren Bindung aneinander.
Hier ist es ratsam unermüdlich Kontakt zu einzelnen Schülern herzustellen und sie bewusst auf sich zu beziehen anstatt sie sich und ihren Mitschülern zu überlassen. Solche Kinder brauchen überzeugend gute Anleitung, jemanden, der sich ihr Vertrauen erwirbt und sie verlässlich zum Lernen ermutigt und dabei unterstützt.
Gleichaltirgenorientierung als Gefahr für die Eltern-Kind-Beziehung
Neben den digitalen Medien stellt die Gleichaltrigenorientierung die größte Konkurrenz zur Bindung an die Eltern dar. Haben sich die Bindungsinstinkte des Kindes einmal auf die "Peergroup" verlagert, haben Eltern es schwer, ihre Kinder zu erreichen. Deren ganze Aufmerksamkeit gehört jetzt den Freunden.
Im Jugensalter ist es normal, dass Gleichaltrige vermehrt Zeit mit ihren Freunden verbringen. Kritisch wird es, wenn sie dabei ihre Integrität aufgeben, sich der generellen Meinung und den Trends der Gruppe blindlinks anschließen ohne mehr bei sich selbst, der eigenen Beurteilung und dem eigenen Stil zu sein. Eltern sollten aufhorchen, wenn ihre Meinung grundlegend nicht mehr gefragt ist, das eigene Kind sich mehr und mehr zurück zieht und keinen Anteil am Familienleben hat bzw. wenn aggressives Verhalten ihnen gegenüber überhand nimmt.