Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Familie und Beruf heutzutage gut in Einklang zu bringen sind. "Vereinbarkeit" ist schließlich das Familien-Schlagwort schlechthin. Und trotzdem bleibt der Trend bestehen, dass Familien sich mehr Zeit miteinander wünschen...
Dass die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und beruflichem Tätigsein eine echte Herausforderung im Kleinstkindalter bedeutet, haben wir während des Vereinsaufbaus am eigenen Leib erfahren. Ganz schnell stellt sich ein mulmiges Gefühl ein, wenn durch notwendige Schreibtischarbeiten das Familienleben zu kurz kommt...Deshalb ermutigen wir euch in besonderem Maße, gut zu überlegen, wieviel Betriebsamkeit ihr euch in dieser Anfangsphase zumuten könnt und wollt.
Eltern hören und lesen allerorten die Botschaft der Vereinbarkeit. Doch sie erfahren in ihrem eigenen Leben, dass es zwar irgendwie funktioniert - aber nur um den Preis der Vernachlässigung der wichtigsten Menschen in ihrem Leben: der Kinder und des Partners.
Ferdinand Knauß
Wir haben doch nun schon lange genug zugesehen, wie sich eine Frauengeneration in dieser Doppelbelastung erschöpft hat. Anstatt umzukehren, neu zu denken, treiben wir es aber auf die Spitze. Frauen wollen beides, aber für beides muss es eine Zeit geben. Hintereinander. Menschenwürdig. Weil beide zu ihrem Recht kommen wollen und müssen: die Mütter und ihre Kinder.
Birgit Kelle
Verschwunden ist das Bild der Mutter, die gebärt, sorgt und nährt. Die Mutter, die Leben schenkt. Öffentlich und rechtlich werden Frauen angemahnt, Mütterlichkeit totzuschweigen. Wer es jetzt noch wagt, diese Aufgabe als sinnvoll, ja sogar grundlegend für den Erwerbsarbeitsmarkt zu erkennen, gehört zu den ewig Gestrigen und wird in der Presse milde belächelt. Und das, obwohl inzwischen die Familien an der Vereinbarkeitslüge zerbrechen – psychisch, gesundheitlich und finanziell.
Sabine Mänken
Hut-Theorie:
Nein, es gibt keinen Hut, unter den das bisherige Leben und die Kinder passen. Dies gilt vor allem für die ersten 3-4 Lebensjahre. Man kann nicht das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Ich war ja in Mathematik noch nie eine so große Koryphäe, aber sogar ich kann ausrechnen, dass in einen prall gefüllten sechzehn-Stunden-Tag eben nicht noch sechzehn Stunden Baby hineinpassen (…)Historisch gesehen ist das Problem der Hut-Suche in etwa zur Zeit der Industrialisierung entstanden. Damals entdeckten die Märkte und die Anleger die Frau als Arbeitskraft (...) Die Kleinen waren auch damals schon irgendwie im Weg. Daher wurde, etwa um 1750, der erste Kindergarten eingerichtet (…) Damit schien der Hut bereits gefunden: Kinder weg, dann hat man Zeit zum Arbeiten. Das Mittel der Wahl, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist- Sie haben es erraten- der umfassende Ausbau der Kinderbetreuung.
Ralf Felix Siebler
Die Eltern sind im Dilemma zwischen Kind und Arbeit. Was tun, wenn die Kita wegen Personalmangel, Krankheit oder Streik einige Tage schließt? Was tun, wenn die Eltern abends nach einem langen Arbeitstag ruhebedürftig sind, das vom langen Krippentag erschöpfte Kind quengelt und nebenher noch der Haushalt und Einkauf besorgt werden muss? Stress für alle. Sollen das die wenigen Stunden "Qualitätszeit" für Eltern und Kind am Tag sein?
Gisela Geist
Prioritäten
Martin Gundlach, Chefredakteur der Zeitschrift family
Ich wünsche mir, dass junge Paare, die vor der Kinderfrage stehen, darüber nachdenken, was sie wirklich wollen. Viele machen zu schnell, was die Menge macht. Zum Beispiel bei der Betreuung von Kleinstkindern. Mein Rat an Familien ist: Setzt eure eigenen Prioritäten! Wenn ihr mehr Zeit miteinander verbringen wollt, dann müsst ihr finanzielle Zugeständnisse machen. Wenn ihr materiell gut ausgestattet sein wollt, dann geht das oft zu Lasten der gemeinsamen Zeit. Wir sollten uns dieser Begrenzungen bewusst werden. Alles geht nicht. Man kann nicht 14 Stunden am Tag arbeiten und viel Kontakt mit seinen Kindern haben wollen.
Hektik ist nicht nur Zeitmangel: Sie ist eine Krankheit der Seele. Hektik verbirgt sich hinter einem großen Teil des Ärgers und der Frustration unserer Zeit...
Könnte es denn nicht auch sein, dass wir die Erwerbsarbeit grotesk überbewerten, um uns selbst wichtiger zu machen als wir sind?
Die schlechte finanzielle Ausstattung der Familien war für die Familienpolitik eine ideale Ausgangslage, im Schulterschluss mit der Wirtschaft eine neue Familienpolitik auszurufen, die man getrost auch als Frauenerwerbspolitik bezeichnen kann. Ihr heilbringendes Paradigma lautet: „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Lassen wir uns nicht täuschen: Diese Maßnahme galt keineswegs dem Wohl der Kinder, sondern war primär als Erwerbsoffensive für Mütter zu verstehen.
Karl-Heinz van Lier
Das auf die erwerbstätige Frau fixierte Geschlechterbild der Gender-Mainstreaming- Ideologen schließt das Wohl der Kinder und die Interessen der daheim erziehenden Mütter weitestgehend aus.
Manfred Spreng
Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind
Verlag: Pantheon, Originalausgabe 2014, 256 Seiten
mehr zum BuchWarum wir Kinder, Liebe und Karriere nicht vereinbaren können
rowohlt, Originalausgabe 2015, 240 Seiten
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