Die verschachtelte Trennung- Bauprinzip der Kita

skizziert von Wanda Rabe (Pseudonym)

Die verschachtelte Trennung ist das konstituierende, organisatorische, zwischenmenschliche und in der Folge auch innerseelische Bauprinzip der Kita und der von ihr geprägten Biografie. Kinder (und Eltern) sind dabei mehreren Trennungsstufen ausgesetzt und erleiden dadurch vielschichtige Verluste, die erst beim näheren Betrachten offenbar werden:


1. Der Verlust, unvoreingenommen willkommen zu sein

Eltern, die ein Kind erwarten, wenden sich an eine Krippe und melden es dort an. Die Trennung wird nun (lange vor dem eigentlichen äußeren Vollzug am ersten Tag in der Kita) innerlich besiegelt. Zugleich mit dem Willkommen-Heißen des Kindes wirkt unbewusst die Vorstellung vom Ausschluss des noch nicht Geborenen aus dem Alltag seiner Eltern. Die Eltern sind mit dem Ankommen und dem Abschied gleichzeitig konfrontiert. Das kann sehr verwirrend sein und die Fähigkeit, sich unvoreingenommen aneinander zu binden, beeinträchtigen.

2. Der Verlust, sich frei und individuell entwickeln zu können und einfach sein zu dürfen

Die erste Säuglingszeit der in der Krippe angemeldeten Kinder wird von deren Eltern immer auch unter dem Gesichtspunkt der Krippen-Reife des Kindes erlebt. Diese angenommene Reife wird von den Eltern forciert und drängelnd erwartet. Ich kenne eine Frau, die mit ihrem Baby geübt hat, sich in seinem Gitterbettchen aufzustellen, damit die Krippenerzieherin es dann deutlicher wahrnehmen kann, als die gleichaltrigen Säuglinge, die das noch nicht können. Andere trainieren das Schlafen im eigenen Bettchen oder  Zimmer, wieder andere verkürzen die Stillzeit. Auch Hebammen wissen: Heimlicher Machthaber im Beziehungsgeflecht der Familie ist der Termin der Trennung: Der erste Tag in der Krippe, die „Einkrippung“ sozusagen. Die Trennung wird, wie auch immer, dem natürlichen Autonomiebestreben des Kindes vorweggenommen.

Die Bedingungslosigkeit beim sich Einlassen auf den neuen kleinen Menschen verschwindet. Stattdessen werden unbewusst verschiedenste Forderungen an die Entwicklung des Kindes gestellt. Das baut Druck auf und macht Stress.  Die Säuglingszeit, die eigentlich mit so viel Vorfreude und dem Annehmen des einfach SEINs verbunden ist, wird von einer unnötigen Erwartungshaltung verspannt. Die Trennung liegt angesichts der tatsächlichen Hilflosigkeit des Säuglings auch in der Diskrepanz zwischen seinem gegebenen und dem gewünschten Reifegrad und erschwert ihm ein unbekümmertes Aufwachsen und Ausreifen seines natürlichen Potenzials. Ein Zustand der sich mitunter noch bis ins späte Schulalter ständig zuspitzen wird und dem Kind womöglich impliziert, nicht „richtig“ oder nicht „genug“ zu sein.

3. Der Verlust von Nähe und Schutz durch die eigenen Eltern 

In dieser Übergangsphase von elterlicher zu institutioneller Betreuung haben in der Regel alle Beteiligten das Wohl des Kindes im Blick. Die Eltern begleiten das Kind in die neue Umgebung und ziehen sich erst nach und nach möglichst sanft zurück. Die Krippenerzieherin bemüht sich, das Vertrauen von Eltern und Kind zu gewinnen, indem sie deren Bindungsbeziehung wertschätzt und die dafür wesentlichen Rituale für das Kind unhinterfragt übernimmt.
Dieses Vorgehen ist Konsens, aber nicht immer realisierbar.  Mit Hilfe von Ritual-Listen ordnet sich die Krippenerzieherin zudem hierarchisch unter die Eltern. Das ist gut für das noch sehr unreife Krippenkind, denn es könnte eine Zerteilung der Welt in unterschiedliche Herrschaftsgebiete noch nicht erfassen. Ganz Kleine fühlen sich selber ja noch nicht einmal getrennt von ihrer Bindungsperson. Erste eigene Loslösebestrebungen von ihrer geliebten Bezugsperson zeigen Kinder natürlicherweise erst etwa ab dem 2. Geburtstag.

Ich wurde einmal in einen Kindergarten gerufen, weil eine Eingewöhnung nicht gelingen wollte. Mit ernster Miene teilte mir die zuständige Krippenerzieherin mit, das Kind sei ganz in Ordnung. Die Mutter wäre diejenige, die die Probleme mache. Sie wäre psychisch krank, hätte vor der Geburt des Kindes mehrere Fehlgeburten gehabt und könne nun nicht loslassen. Sie meint, sie könne jetzt mit dem Kind, ihrem 18 Monate alten Sohn, ihr Leben teilen. Stattdessen solle sie sich doch wirklich endlich wieder in die Arbeitswelt eingliedern. Was ich über die Krippenerzieherin dachte: „Ich würde mein Kind auch nicht einer Frau anvertrauen wollen, die so über mich denkt.“ Was ich über die Mutter dachte: „Nun hat sie endlich ein Kind geboren und schon verbietet ihr die Gesellschaft, mit ihm zu leben! Das ist jetzt einmal richtig gemein und frustrierend.“ Was ich über das Kind dachte: „Es wird zerrieben zwischen zwei Welten:  dem was es wirklich braucht, seine Mutter und dem was die Gesellschaft von seiner Familie fordert - Unterordnung. Was ich der Krippenerzieherin sagte: „Sie werden das Vertrauen von Mutter und Sohn nur gewinnen können, wenn sie beide und insbesondere deren Liebe zueinander wertschätzen. Ich weiß, das ist schwer, aber es ist der einzige Weg.“ Das sagte ich, wohlwissend, dass Wertschätzung eine Frucht der Reifwerdung ist.
Sie ist nicht erlernbar und man kann sie nicht anordnen. 

4. Der Verlust von absoluter Sicherheit

Der erste Tag allein in der Krippe markiert die auffälligste äußere Trennung zwischen Kind und Eltern. Viele denken, das wäre die einzige und eigentliche Trennung im Geschehen und danach wäre alles wieder schick. Problematisch ist, dass das Baby und Kleinstkind noch über kein Zeitgefühl verfügt. Sagt man ihm: „Die Mama kommt gleich wieder.“, so hat der Satz für das Kind gar keine Aussagekraft. Versteckt der Erwachsene sein Gesicht hinter den Händen, so ist er für das Kleinstkind weg, weg in seiner Absolutheit. Entfernt er die bergenden Hände wieder, so freut sich das Kind auch nach dem hundertsten Mal so, wie nach der ersten vermeintlichen Trennung über das Wiedererscheinen. Sind Mama und Papa nicht in Sicht- oder Hörweite, so sind sie für ein Baby absolut nicht mehr existent. Deshalb ist es notwendig, dass die Familie Vertrauen zu der Ersatzmutter schöpft, um den ersten und all die folgenden Krippentage überstehen zu können.

5. Der Verlust, von einem Erwachsenen als einzigartig wahrgenommen zu werden

In sehr guten Krippen (mit niemals krankgeschriebenen Erzieherinnen, die keinen Urlaub nehmen, keine Weiterbildungen machen, keine Entwicklungsbögen ausfüllen müssen und mit einem Personalschlüssel von 1:3) kann es geschehen, dass diese Trennungsstufe übersprungen wird- das kann aber natürlich nicht garantiert werden. Bei sehr sensiblen Kindern würden auch die Idealbedingungen in der Krippe nicht reichen, um diese 5. Trennung zu vermeiden. Bei dieser Stufe handelt es sich aus Sicht des Kindes um die Trennung vom Wahrgenommen-Werden durch eine immer gleiche zuverlässige erwachsene Person. Die Trennung vom Wahrgenommen-Werden ist genau die Situation, die die Mutter, die unter  2. erwähnt wird, dazu bewegt hat, ihrem Baby beizubringen, sich in seinem Gitterbettchen aufzustellen. In ihrer Vorstellung hat die Mutter eine Situation vorweggenommen, in der ihr Kind von der Erzieherin übersehen wird, weil es liegt (= unreif ist). Die Erzieherin soll es sehen können, also treibt die Mutter die Entwicklung des Babys vorzeitig voran. Intuitiv weiß diese Mutter: Sein Gesehen-Werden ist für mein Baby eine Überlebensfrage. Die Nicht-Befriedigung des Bedürfnisses, gesehen zu werden, wird vom sehr kleinen Kind und auch von seinen Eltern als lebensbedrohend empfunden.

Deshalb ist nach meinem Dafürhalten diese Trennung die verletzendste. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die wahrscheinlich nicht bewusste elterliche Strategie, das Kind immer und auch schon im Vorfeld zu befähigen, die Erzieherin und andere zunächst fremde Kontaktpersonen durch frühe Reife auf es aufmerksam zu machen. Sie drängen das Kind zum Anschein einer Reife, die sich nicht aus dem Kind heraus natürlich entwickelt. Dieser Anschein, ja das frühkindliche Schauspielen, wird ihm willkürlich und teilweise sehr systematisch abverlangt. Eine solche zwischenmenschliche Dynamik hat für das noch junge Baby oder Kleinstkind eine fatale Folge: Es spürt, dass sein Sein von Vorneherein an Bedingungen geknüpft wird, dass es ansonsten vielleicht nicht genügen, nicht sein könnte. Mit dem ihm Abverlangten ist es entwicklungsmäßig noch gar nicht verbunden. Auch das ist übrigens Trennung: die Trennung von Innen und Außen. So wird es zum Schauspieler, zu einer Hülle, die innen mitunter ganz anders ist als außen. Mir begegnen immer wieder völlig fremde Kleinkinder die mir ungefragt ein antrainiertes Repertoire an kleinen Fertigkeiten und Kunsttücken vorführen. Dabei schauen sie mich an und erwarten meinen Applaus. Manche zählen auf Japanisch, manche lösen selbst gestellte Rechenaufgaben, oder sie machen mit versteinerten Gesichtern geschmeidige asiatische Kampfsportbewegungen. Alle erwecken einen aufgeweckten Eindruck. Auf den kommt es nämlich an, will man ein Kind, das gesehen wird. Die Kinder sind quasi schon in Stellung gebracht worden und wirken, schaut man sie sich genau an, so einsam und hohl und unkindlich, dass es mein Herz erweicht.

Auf einem Fest lernte ich einmal die Großmutter kennen. Sie zählte mir die akademischen Grade und beruflichen Erfolge ihrer drei Kinder auf. Stolz betonte sie, schon ihre Kinder seien frühkindlich gebildet worden. Ganz genau wie ihre zahlreichen Enkel jetzt auch. Zwar seien die Enkel nicht mit acht Wochen, sondern erst mit sechs Monaten in die Krippe gekommen. Das aber hätte ihnen erstaunlicherweise nicht geschadet. Die Kinder seien trotz des verspäteten Krippeneintritts sehr erfolgreich. Eine ihrer Enkelinnen traf ich neulich auf einer Veranstaltung. Ohne Gruß oder die übliche Frage, ob ich sie noch kenne baute sie sich vor mir auf. „Ich bin in der Leistungs- und Begabungsklasse habe nur Einsen auf dem Zeugnis und bin Gewinnerin von Jugend musiziert.“ Ich: „Hallo Charlotte. Ich freue mich so, Dich zu sehen. Weißt Du noch unser Geheimnis vom Spielplatz?“ Sie wusste es nicht mehr. Unser Geheimnis war ihr Lieblingsspiel im Kindergarten gewesen. Wir spielten es immer freitags, wenn ihre Freundinnen schon abholt waren: Sie war ein Baby und konnte nichts, gar nichts, außer weinen, lachen, strampeln und saugen.

6. Der Verlust von Nähe durch die „Ersatzmutter“

Krippenerzieherinnen können im System Kita keinesfalls schalten und walten, wie sie wollen. Sie müssen sich nach den Bedürfnissen von Bindungsvermeidung und der Organisation des unmittelbar anschließenden Kindergartens ausrichten. Es wird ihnen z. B. dringend davon abgeraten, Säuglinge und Kleinstkinder in den Schlaf zu schaukeln. Der Grund: kurz nach ihrem zweiten Geburtstag müssen sich die Kleinstkinder in die Kindergartengruppe eingliedern. Diese ist so organisiert, dass ein individuelles Eingehen auf die Kinder nur noch sehr eingeschränkt und ausnahmsweise möglich ist. Wenn 22 Kinder auf ihren Matten liegen, kann die „Schlafwache“ nicht eines von ihnen schaukeln und die anderen nicht. Wie die Eltern, die sich schon vor der Geburt ein inneres Bild von Trennung zeichneten, so werden hier die Krippenerzieherinnen angehalten, die noch nicht vollzogene Trennung des Kindes zu ihnen schon in der Krippe (ein bis eineinhalb Jahre von dem Übergang in den Kindergarten) vorwegzunehmen.

7. Der endgültige Verlust des Schutzes und Vorbilds durch einen Erwachsenen

Kurz nach dem zweiten oder dritten Geburtstag wechselt das Kind dann in die große Kindergartengruppe. Dieser Wechsel ist eine Zäsur, denn es ist den Kindergärtnerinnen, im Gegensatz zu der Krippenerzieherin, fortan aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich, die im Alltag fehlende Mutter zu ersetzen. Das Kind muss jetzt nicht nur ohne Mutter, sondern auch ohne Mutterersatz seinen acht- bis neunstündigen Alltag meistern. Natürlich können das viele Kindergartenkinder im Krippenalter schaffen- das soll nicht in Abrede gestellt werden.

Sensible Kinder- besonders kleine Jungen, tun sich aber ausgesprochen schwer damit. Als Folge fehlender erwachsener Bindungspersonen stellt sich nicht selten eine Gleichaltrigen- Orientierung ein: Kinder fixieren sich aufeinander und begrenzen damit ihre umfassenden Reife- und Entwicklungsmöglichkeiten, da ihnen die „großen“ Vorbilder fehlen.

8. Der Verlust von persönlicher Freiheit

Wer sich nicht einfügt, dem wird mit Trennung gedroht. Das gilt in unserer Kita nicht für das Kind vor seinem zweiten Geburtstag. Ich nenne sie Trennungsdrohung zum Zwecke des Gefügig Machens. Sie betrifft das Thema Krippe, weil zu Anfang des Schuljahrs über die Hälfte der Kinder in der Kindergartengruppe im Krippenalter zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag ist. Der kanadische Entwicklungspsychologe Gordon Neufeld stellt die Bindung in den Mittelpunkt von Entwicklung. Er sagt, das Streben nach Nähe wäre der stärkste Trieb im Menschen. Umgekehrt sei die Trennung die größte Bedrohung. Das Drohen mit Trennung ist folglich eine sehr einfache und fast immer wirksame Methode, Menschen zur Anpassung zu bewegen. Die Nähe ist dem Kind im Zweifelsfall wichtiger als sein den Erwachsenen störende Vorhaben. Dabei muss die Trennung gar nicht unbedingt vollzogen werden. Es reicht schon, dass das Kind sich vorstellt, nicht mehr dazu zu gehören. Diese Trennung bei Verhaltensweisen, die die Erwachsenen stören, schwebt permanent wie ein Schwert über den kleinen Kindern. Die Folge ist ein ganz hoher Alarm: alle Sinnesorgane sind permanent scharf gestellt. Die Augen, die Ohren suchen immerzu die Umgebung ab. Besonders auch die Türen und Fenster. Das ursprüngliche Bedürfnis, wahrgenommen zu werden, kehrt sich jetzt hin und wieder um und drängt das Kind zu einem Spiel, das nicht erlaubt ist. Es erscheint hinterlistig, eine Eigenschaft, die man eigentlich eher von Erwachsenen kennt. Weit besorgniserregender ist aber das ganz stromlinienförmig angepasste Kind. Es zeigt dann oft weder Freude noch die Tränen des Frustrierten. „Die Kindheit ist gelaufen“, schießt mir durch den Kopf, wenn ich in diese glanzlosen kleinen Augen schaue.

9. Der Verlust, eigenen Gefühlen zu trauen

Die schwerwiegendste und gefährlichste Trennung in der Krippenbiographie ist aber die Trennung von Innen und Außen. Durch seine Gefühle wird der Mensch bewegt, motiviert. Die Gefühle sind also der Rohstoff, aus dem sich der Mensch selbst entfaltet. Der Rohstoff, der die Bewegung ermöglicht, ist Entwicklung. Entwicklung wiederum ist die Lebensaufgabe des Menschen und insbesondere des Kindes. Stagniert sie, so stirbt der Mensch. Stört man den heranwachsenden Menschen schon im Krippenalter beim Kontakt zu seinen eigenen Gefühlen, so stört man zwangsläufig seine genuine Entwicklung. Das Innen und Außen haben keine hinreichende Übereinstimmung, denn dem Kind wird es u.U. verwehrt, seine aufkommenden Gefühle richtig zu deuten und adäquat darauf reagieren lernen zu können- ein Beispiel:

Der Zank einer Gruppe von 3 Jungen ist mitunter so störend, dass die Erzieherin nicht umhinkommt, die Jungen wahrzunehmen. Sie trennt die Kontrahenten und stellt sie einander gegenüber. Dann folgt die Befragung. „Wer hat angefangen?“, „Was hat die Erzieherin gestern schon gesagt oder angedroht?“, „Weiß der Angreifer, dass Beißen weh tut?“ … All diese Fragen weisen darauf hin, dass die Erzieherin davon ausgeht, den Jungen mangele es an Wissen und deshalb wären sie gewalttätig. Das aber ist ein Irrtum. Hier geht es gar nicht um Erlernbares. Die Kinder werden von ihren Gefühlen bewegt. Das ist bis zum Alter von sechs oder sieben Jahren ganz normal. Ihr präfrontaler Cortex ist noch so klein, dass sie ihre Gefühle noch nicht mischen können. Was der Kindergärtnerin vorschwebt ist ein Kind, das gleichzeitig fühlt: „Ich bin wütend auf Mathias aber gleichzeitig habe ich ihn so lieb, dass ich ihm nichts tue.“ Dafür aber fehlt einem Kind kurz vor oder nach seinem dritten Geburtstag schlicht weg die somatischen Voraussetzungen. Wenn es wütend ist, gibt es nur die Wut von der es bewegt wird. Da kann das Kind nichts für. Nun greift die Kindergärtnerin zur Maßnahme: Der im Laufe der Verhandlung für schuldig Befundene muss sich vor das Opfer stellen, seine Hand ausstrecken und „Entschuldigung“ sagen. Dabei schaut der Sünder in der Regel auf den Boden. Ähnlich wie der Säugling, dessen Mutter ihm ein sich-im-Bett-Aufstell-Training hat angedeihen lassen, so wird hier das ältere Krippenkind ungeachtet seiner körperlichen Voraussetzungen zu dem äußeren Anschein einer Entwicklungsstufe genötigt, die mit dem Innen gar nichts mehr zu tun hat. Es muss Reue vortäuschen. Die aber ist nur möglich, wenn man zwei Gefühle gleichzeitig fühlt, hier die Wut und das Mitleid.

Autorin: Wanda Rabe (Pseudonym)

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